Ein Tag Intensivpflege…

Dienstübergabe

Es ist 7:00 Uhr. Wir sitzen alle mit FFP2 Masken im Sozialraum und teilen uns auf, wer welche PatientInnen betreut. Ich übernehme heute einen an Covid-19 erkrankten jungen Menschen, der außer einer arteriellen Hypertonie keine Vorerkrankungen hat. Dann gehe ich mit dem Nachtdienst zum Computer, um den Zustand meines Patienten zu besprechen.

Sein Zustand

Momentan war der Patient hämodynamisch instabil. In diesem Fall schwankte sein Blutdruck bei Berührungen zwischen sehr niedrig und sehr hoch. Zweitens hat sich seine Sauerstoffaufnahme trotz einer 48-stündigen Bauchlage nicht verbessert. Der Patient liegt jetzt nach der Bauchlage wieder auf dem Rücken und bekommt 100% Sauerstoff von der Beatmungsmaschine (mehr ist nicht möglich) – damit hatte er eine periphere Sauerstoffsättigung im Blut von 90%; eine Besserung war so nicht in Sicht. Also soll er heute wahrscheinlich eine VV-ECMO bekommen; das Blut wird dadurch außerhalb des Körpers mit Sauerstoff versorgt und von Kohlenstoffdioxid befreit, damit sich die Lunge erholen kann.

Anmerkung – wenn Menschen beatmet werden, sollte mittels Sauerstoffzufuhr eine Sauerstoffsättigung im Blut von wenigstens 92% erreicht werden. Da mein Patient schon länger als 12 Stunden 100% Sauerstoff bekommt und trotzdem sehr schlechte O2 und CO2 Werte hat, soll er eine VV-ECMO bekommen.

Vormittag

Um 7:30 Uhr schaue ich mir die medikamentöse Therapie des Patienten an. Der Patient bekommt kontinuierlich über Spritzenpumpen einerseits Medikamente zur Sedierung, Schmerzausschaltung (künstliches Koma) und Blutdruckstabilisierung. Andererseits werden noch ein Antibiotikum, parenterale Ernährung und weitere Medikamente infundiert. Die Medikamente laufen bei Covid-19 Erkrankten sehr hoch, dadurch müssen sie mind. alle 4-5 Stunden erneuert werden. Meine KollegInnen und ich schreiben uns auf, wie viele Medikamente sie für 12h oder 24h brauchen. Das sind dann schon gut +20 Spritzen verschiedenster Medikamente alle 12h pro PatientIn.

Mit Spritzenpumpen können mehrere Medikamente kontinuierlich verabreicht werden. Neben einem Bett sind ungefähr 10 Spritzenpumpen, in denen verschiedenste Medikamente dem Patienten infundiert werden können. (Fa. Fresenius Kabi)

Solange keine Alarme ertönen bleibe ich bis acht Uhr draußen am Stützpunkt und lese mir die Krankengeschichte und weitere Berichte durch. Dann ziehe ich mir die Schutzausrüstung an; desinfizierbare Schuhe, einen flüssigkeitsabweisenden Mantel, zwei Paar Handschuhe, eine Haube, eine Schutzbrille und ein Gesichtsvisier. Ich habe mich schon gut an die Schutzausrüstung gewöhnt, trotzdem kommt es vor, dass mir heiß, schlecht und schwindelig wird, wenn ich im Zimmer bin.

Als ich ins Zimmer gehe kommen schon zwei RadiologietechnologInnen, um ein Röntgenbild des Patienten aufzunehmen. Als sie die Röntgenplatte unter den Brustkorb des Patienten schieben, hat er einen Blutdruckabfall (Mitteldruck bleibt bei 58), den ich akribisch beobachte, um zu sehen ob ich Maßnahmen setzen muss. Nach dem Röntgen steigt der Blutdruck wieder und ich beginne die Antrittskontrolle.

Die Antrittskontrolle

Bei der Antrittskontrolle wird der Patient und alles rund um ihn überprüft. Der Patient ist zwar tief sediert und momentan auch relaxiert. Trotzdem stelle ich mich bei ihm vor, erkläre ihm wo er ist, welchen Tag, welches Datum und welche Uhrzeit wir haben und gebe ihm einen Tagesüberblick. Egal was beim Patienten gemacht wird, man spricht mit ihm und erklärt ihm alles was gerade passiert, so gut es geht.

Der Patient

Zuerst schaue ich mir den Patienten selbst an, wie sind seine Vitalparameter, wie ist die Neurologie (tief sediert, Pupillen isokor und lichtreaktiv?), ist er schutzfixiert, hat er zu- und ableitende Systeme (ZVK, Endotrachealtubus, Magensonde, Dauerkatheter, Stuhldrainage), usw..

Die Medikamente

Im nächsten Schritt schaue ich mir die verschiedenen Medikamente an, die über die Spritzenpumpen laufen. Die Medikamente müssen dabei mit der ärztlichen Verordnung übereinstimmen – bekommt er das richtige Medikament in der richtigen Dosierung? Stimmt die Förderrate am Computer mit jener der Spritzenpumpe überein?

Der Monitor

Dann ist der Monitor an der Reihe. Er zeigt den Blutdruck, die Herzfrequenz (Puls), die Atemfrequenz, die Körpertemperatur und die Sauerstoffsättigung an. Der Blutdruck wird über einen arteriellen Katheter gemessen, der an ein Drucksystem angeschlossen ist. Da sich der atmosphärische Druck kontinuierlich verändert, passe ich das Drucksystem an den atmosphärischen Druck an, damit ich den korrekten Blutdruck angezeigt bekomme. Schließlich setze ich mir die Alarmgrenzen aller Parameter fest, um für Notfälle beziehungsweise Abweichungen gut gewappnet zu sein. Sobald beispielsweise der Blutdruck unter die eingestellte Grenze fällt, alarmiert der Monitor und ich muss die Situation adäquat beurteilen.

Die Beatmungsmaschine

Auch die Beatmungsmaschine muss begutachtet werden. Also werfe ich einen Blick auf den Tubus, die Beatmungsschläuche, die Heizung und das Wasser, sowie auf den Bildschirm, der mir alle Werte anzeigt. Ich mustere die Druckkurve, die Flowkurve, die Volumenkurve und die dazugehörigen Werte. Genauso wie beim Monitor, stelle ich mir an der Beatmungsmaschine die Alarmgrenzen ein. An der Beatmungsmaschine sind das der Spitzendruck, der PEEP, die Atemfrequenz, und das Minutenvolumen.

Weiteres

Abschließend schaue ich mir noch an, ob Sauger und Beatmungsbeutel funktionieren, damit ich beides für Notfälle schnell zur Verfügung habe.

Die Blutgasanalyse

Nach der Antrittskontrolle, mache ich gleich eine Blutgasanalyse, indem ich das Blut aus dem arteriellen Katheter in eine Spritze aufziehe und einem Kollegen/einer Kollegin zur Auswertung übergebe. Danach betrachte ich die Werte auf dem Computer. Hier spielen nicht nur die Gase wie O2 und CO2 eine Rolle, sondern beispielweise auch der pH-Wert des Blutes, die Elektrolyte wie Kalium und Natrium, … und der Blutzuckerspiegel.

Eine Blutgasanalyse wird mind. alle vier Stunden oder je nach Bedarf bei einem Intensivpatienten/einer Intensivpatientin durchgeführt. Damit kann viel über den Zustand des Patienten/der Patientin ausgesagt werden, vor allem ob er/sie respiratorisch und metabolisch stabil oder instabil ist.

Die Pflege

Medikamentenverabreichung

Als nächstes verabreiche ich die angeordneten Medikamente. Kurzinfusionen hänge ich an den Medikamentensteg an. Die orale Gabe von Medikamenten erfolgt über die Magensonde. Da der Patient tief sediert ist und mit einem Tubus beatmet wird, kann er keine Medikamente schlucken. Bevor ich die Medikamente verabreichen kann, muss ich die korrekte Lage der Magensonde kontrollieren. Das geschieht, indem ich mit einer Spritze 20ml Luft über die Magensonde in den Magen verabreiche. Wenn ich mit einem Stethoskop die Luft in der Magengrube blubbern höre liegt sie richtig. Zusätzlich wird mit dem Röntgenbild die Lage der Magensonde, des Tubus und des ZVKs, bestimmt. Zum Schluss hänge ich noch eine Ernährung an die Magensonde wieder an.

Als nächstes höre ich nicht nur die Lunge, sondern auch den Bauch ab. Damit stelle ich sicher, ob einerseits beide Lungenflügel belüftet werden und sich andererseits der Darm bewegt. Vor allem kann ich zusätzlich noch beurteilen, ob sich Sekret in der Lunge befindet oder ob die Atemwege verkrampft sind oder nicht.

Die Körperpflege

Dann nehme ich mir die Zeit für die Körperpflege. Die Körperpflege wird in der Gesellschaft als das Hauptmerkmal unseres Berufes gesehen, doch macht sie einen geringen Teil unserer Arbeit aus. Sie ist aber dennoch sehr wichtig. Es geht hier nicht nur um das reine Erfüllen eines Grundbedürfnisses, sondern auch um die Infektionsprophylaxe, die mit einer Körperhygiene einhergeht. Vielmehr noch, bekommen wir ein ganzheitliches Bild des Patienten/der Patientin; das wir nicht haben, wenn wir ausschließlich die Vitalparameter beobachten.

Ich richte mir also alle Materialien her und gehe zum Patienten. Dabei drehe ich den Monitor in meine Richtung, damit ich die Vitalparameter während der Körperpflege immer im Blick habe. Da der Patient zwei Tage hindurch auf dem Bauch gelegen ist, ist sein ganzes Gesicht angeschwollen; er hat aber keine Wunden davon bekommen.

Ich fange an mit einem nassen Waschlappen das Gesicht des Patienten zu reinigen und konzentriere mich dann auf die Mundpflege, sowie auf den Tubus. Für die Mundpflege benutze ich einen Sauger, eine Zahnbürste und Stäbchen mit einem Schaumstoffkopf, die ich in Mundpflegeöl tränke, um Beläge im Mund zu entfernen und die Schleimhaut feucht zu halten. Ich sauge Sekret über den Mund- und Rachenraum, sowie über den Tubus ab. Der Tubus war einen Tag lang im rechten Mundwinkel positioniert, also gebe ich ihn diesmal auf die linke Seite, um Druckstellen entgegenzuwirken.

Nachdem ich auch den Rumpf, die Arme und Beine gereinigt habe, hilft mir ein Kollege, den Patienten auf die Seite zu drehen. Erstens kann ich den Rücken waschen und eincremen. Zweitens kann ich damit auch seine Haut betrachten und das Leintuch, sowie die Unterlage wechseln. Schließlich ziehen wir den Patienten im Bett hoch, straffen das Leintuch und positionieren ihn in einer 30° Oberkörperhochlage. Er bleibt vorerst am Rücken liegen, da er ja heute eine VV-ECMO bekommen soll.

Kolleginnen und Kollegen unterstützen

Den restlichen Vormittag verbringe ich damit Kolleginnen und Kollegen bei der Pflege zu helfen, vorausgesetzt ich bin früher fertig als sie, was momentan eher selten der Fall ist. Gerade wenn man frisch in der Intensivpflege ist, will man alles sofort perfekt und genau machen, sich auf seinen Patienten/seine Patientin konzentrieren, es fällt einem schwer, die Arbeit auf den ganzen Tag zu verteilen. Doch ich lasse mich nicht unterkriegen, lerne jeden Tag etwas Neues und gebe mein Bestes; es ist ein ständiger Lernprozess.

Die Visite

Bei der Visite bespreche ich mit den zuständigen Ärztinnen und Ärzten den Zustand meines Patienten. Wir gehen wichtige Laborparameter, die Medikamente, die Blutgase, Beatmungseinstellungen, und pflegerische Phänomene durch. Dann besprechen wir den weiteren Tagesablauf – er soll um 12 Uhr die VV-ECMO bekommen.

Mittag

Zur Vorbereitung richte ich die Kanülen, Verbände, eine Heparinspritze (Spritzenpumpe), eine TEE-Sonde und den Ultraschall her. Das OP-Team kommt mit den restlichen sterilen Materialien. Im Zimmer positioniere ich den Patienten so, dass die Kanülen gut gesetzt werden können. Die Heparinspritze wird eingespannt und am ZVK angeschlossen. Bei der Kanülierung wird nämlich ein Bolus des Medikamentes verabreicht, um die Blutgerinnung stark zu vermindern, da sich innerhalb des ECMO-Systems keine Thromben bilden dürfen.

ECMO-Kanülierung

Das OP-Team kommt ins Zimmer. Sie ziehen sich steril an und bereiten alle Materialien steril vor. Im Zimmer sind neben mir und dem OP-Team noch ein Kardiotechniker und unsere zuständigen Ärzte, die den Patienten punktieren werden, insgesamt also neun Menschen drei unterschiedlicher Berufsgruppen. Zuerst punktiert ein Arzt die Vena jugularis interna am Hals, dabei reicht eine OP-Pflegerin ihm die sterilen Materialien zu; gleichzeitig bekommt der Patient von mir die gewünschte Menge des Heparins verabreicht. Mit der TEE Sonde bestimmt ein anderer Arzt die Lage der Kanüle.

Während des ganzen Prozesses beobachte ich die Vitalparameter. Der Patient wird hyperton, er hat einen arteriellen Mitteldruck von 130. Also reduziere ich die Förderrate des Noradrenalins. Weiters sinkt seine periphere Sauerstoffsättigung auf 86% – da die Sättigung auf diesem Niveau stabil bleibt und er über die Beatmungsmaschine 100% Sauerstoff bekommt, werden keine weiteren Maßnahmen gesetzt.

Die zweite Kanüle wird in die Vena femoralis also in die Leiste gesetzt. Danach werden die Kanülen mit den Schläuchen der ECMO verbunden. Die ECMO wird eingeschalten und wir schauen alle gespannt zu, ob sie richtig läuft. Die Kanüle in der Leiste saugt das Blut in den Oxygenator; die Kanüle am Hals schickt das mit Sauerstoff angereicherte Blut wieder zurück in den Körper. Es hat alles ohne Komplikationen funktioniert. Die Ärzte haben zum Schluss noch die Kanülen an die Haut des Patienten angenäht, damit sie nicht verrutschen. Es werden jetzt 4,8L Blut pro Minute durch die ECMO geschickt, die das Blut mit Sauerstoff anreichert und das CO2 eliminiert.

Mit der VV-ECMO soll ein adäquater Gasaustausch erreicht und die Lunge damit entlastet werden. Der Oxygenator reichert das Blut mit Sauerstoff an, danach wird es in den Körper zurückgeschickt. (Fa. Getinge)
Die Pflege danach

Nachdem die Funktion der ECMO überprüft wurde haben eine Kollegin und ich die Einstichstellen der Kanülen verbunden und den Patienten wieder in eine aufrechte Position gebracht. Dabei haben wir nicht nur auf die Kanülen und weitere zu- und ableitende Systeme geachtet, sondern auch auf die Vitalparameter und die Werte, die die ECMO anzeigt.

Nach Kontroll-Blutgasanalysen konnten wir gleich die Beatmungseinstellungen adaptieren, damit sich die Lunge erholen kann. Statt 100% Sauerstoff an der Beatmung, bekommt er jetzt nur 40% Sauerstoff, was für die Lunge viel schonender ist. Mit einer peripheren Sauerstoffsättigung im Blut von 97% ist das eine deutliche Verbesserung.

Nachmittag und Abend

Der restliche Tag bestand daraus, Medikamente zu verabreichen, die Medikamente der Spritzenpumpen zu wechseln, die Blutgaswerte und ECMO zu kontrollieren und pflegerische Tätigkeiten, wie die Mundpflege durchzuführen. Wenn Notfälle auftreten oder weitere Aufgaben hinzukommen, kann das alles von der Tagesroutine abweichen.

Eine wichtige Aufgabe ist auch die Dokumentation aller gesetzten Maßnahmen, die zeitnah im Tagesverlauf erfolgt. Am Abend schreibe ich noch einen Dekurs, der den ganzen Tag widerspiegeln soll. Abschließend geht es um 19 Uhr mit der Dienstübergabe los, damit der Nachtdienst uns ablösen kann.

Persönliche Worte

Jeder/jede Intensivpatient/in ist individuell – daher kommt es auf die Schwere der Erkrankung an, welche Behandlung sie brauchen.

Die Pflege ist ein spannendes Feld. Es gibt so viele Spezialisierungen, die Intensivpflege ist eine davon. Ich hoffe der Beitrag gewährt einen guten Einblick in den Tagesablauf. Das Spannende an der Intensivpflege ist für mich, die pflegerischen und medizinischen Kompetenzen viel stärker miteinander zu verbinden und damit eine gute Betreuung zu gewährleisten.

Eure AGKP

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